Pflegezeit: Freistellung für die Pflege
Einen Angehörigen zu pflegen und berufstätig zu sein ist eine extreme Belastung. Um Pflegepersonen zu unterstützen, gibt es die Möglichkeit, bei vollem Kündigungsschutz die Arbeitszeit für gewisse Zeit zu reduzieren oder sich freistellen zu lassen, um sich ganz der Pflege zu widmen. Je nach individueller Situation kann entweder die Pflegezeit oder die Familienpflegezeit besser geeignet sein. Wir stellen beide Optionen vor und erläutern, was Sie bei der Planung beachten müssen.
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Inhaltsverzeichnis
Übersicht: Pflegezeit und Familienpflegezeit im Vergleich
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) sind zwei verschiedene Gesetze, die es Arbeitnehmern ermöglichen, sich ganz oder teilweise freistellen zu lassen, um mehr Zeit für die Pflege von Angehörigen zu haben. Beide Gesetze sind grundsätzlich gleich aufgebaut und überschneiden sich in vielen Aspekten, es gibt jedoch einige entscheidende Unterschiede.
Die wichtigsten Unterschiede sind die maximal mögliche Dauer und die Art der Freistellung. Die Pflegezeit kann für maximal 6 Monate in Anspruch genommen werden, die Familienpflegezeit hingegen für bis zu 24 Monate. Bei der Pflegezeit kann ein Arbeitnehmer frei wählen, ob er sich vollständig oder teilweise freistellen lassen möchte, die Familienpflegezeit bietet hingegen eine Reduzierung auf bis zu 15 Wochenstunden Mindestarbeitszeit.
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Kombination der Pflegezeit und der Familienpflegezeit
Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, erst die Pflegezeit in Anspruch zu nehmen und dann direkt im Anschluss Familienpflegezeit. Diese Kombination eignet sich für diejenigen, die erst eine vollständige und anschließend eine längere teilweise Freistellung benötigen. Die Gesamtdauer der Freistellung darf jedoch maximal 24 Monate betragen. Bei einer Inanspruchnahme von beispielsweise 4 Monaten Pflegezeit besteht noch ein Anspruch auf 20 Monate Familienpflegezeit.
Die folgende Tabelle bietet eine schnelle Übersicht über die wichtigsten Punkte der Pflegezeit und der Familienpflegezeit. Für Notfälle, das heißt bei einer plötzlich auftretenden Pflegebedürftigkeit, gibt es das Pflegeunterstützungsgeld. Es hilft Arbeitnehmern in den ersten Tagen, die Pflege zu übernehmen und weitere Schritte zu organisieren. Das Pflegeunterstützungsgeld wird meist in der Zeit in Anspruch genommen, in der der Antrag auf einen Pflegegrad noch von der Pflegekasse bearbeitet wird.
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Pflegeunterstützungsgeld |
Pflegezeit |
Familienpflegezeit |
Maximale Dauer |
10 Tage |
6 Monate |
24 Monate |
Art der Freistellung |
Vollständig im Akutfall |
Wahl: Vollständig oder teilweise |
Teilweise |
Anspruch gilt für… |
Alle |
Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten |
Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten |
Voraussetzung |
Ärztliche Bescheinigung |
Pflegegrad |
Pflegegrad |
Anmeldefrist beim Arbeitgeber |
Keine |
10 Tage |
8 Wochen |
Finanzierungsmöglichkeiten |
Lohnersatzzahlung von der Pflegekasse |
Zinsloses Darlehen vom BAFzA* |
Zinsloses Darlehen vom BAFzA* |
Inhalt des Pflegezeitgesetzes ist auch die Sterbebegleitung, für die gesonderte Regeln gelten. Sie ermöglicht eine Freistellung von bis zu 3 Monaten für die Pflege eines schwerkranken oder sterbenskranken Angehörigen.
Welche Voraussetzungen gelten für die Pflegezeiten?
Um Pflegezeit oder Familienpflegezeit nutzen zu dürfen, sind einige Bedingungen notwendig. In den meisten Punkten sind die Voraussetzungen für beide Gesetze übereinstimmend.
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Der pflegebedürftige Angehörige hat einen offiziell anerkannten Pflegegrad.
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Die Pflege erfolgt zuhause.
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Der Arbeitnehmer arbeitet in einem Betrieb mit mindestens 15 (Pflegezeit) beziehungsweise 25 (Familienpflegezeit) Beschäftigen. Hierzu zählen auch Mini- und Midi-Jobber.
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Pflege von Kindern und Jugendlichen
Wird die Pflegezeit oder die Familienpflegezeit genutzt, um einen minderjährigen Pflegebedürftigen zu pflegen, muss die Pflege nicht zuhause stattfinden. Diese Sonderregelung ermöglicht die Freistellung auch, wenn der Pflegebedürftige in einer Pflegeeinrichtung oder Spezialklinik betreut wird. Auch eine abwechselnde Pflege zuhause und in einer Einrichtung ist möglich.
Weiterhin müssen Sie ein naher Angehöriger des Pflegebedürftigen sein, um Pflegezeit oder Familienpflegezeit nehmen zu können. Der Begriff umfasst in diesem Zusammenhang eine kleinere Gruppe von Personen als zum Beispiel in der häuslichen Pflege allgemein. Pflegepersonen dürfen auch Freunde, Bekannte und Nachbarn sein, sie werden dann als „nahe Angehörige“ bezeichnet. Die Pflegezeit und die Familienpflegezeit setzt jedoch ein gewisses Verwandtschaftsverhältnis voraus.
In diesem Rahmen gelten als nahe Angehörige, die mit dem Pflegebedürftigen in einem der folgenden Verhältnisse in Verbindung stehen:
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Kinder, Eltern und Geschwister.
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Schwiegereltern, Großeltern und Stiefeltern.
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Schwager und Schwägerinnen.
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Ehepartner, (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner und Partner in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft.
Sind Sie ein pflegender Angehöriger? Diese Tipps helfen Ihnen bei der Organisation der Pflege:
Wie meldet man die Pflegezeit an?
Weder Pflegezeit noch Familienpflegezeit stellen eine Leistung von Pflegekassen dar. Die Anmeldung erfolgt bei Ihrem Arbeitgeber. Es handelt sich hierbei nicht um einen Antrag, sondern um eine Mitteilung, denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Freistellung zu ermöglichen solange die oben aufgeführten Bedingungen erfüllt sind.
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Vereinbarung in kleinen Betrieben
Bei kleineren Betrieben mit weniger als 15 beziehungsweise 25 Mitarbeitenden gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Pflegezeit und Familienpflegezeit. Sollte Ihr Arbeitgeber Ihnen jedoch auf freiwilliger Basis die Möglichkeit geben, für die Pflege eine Auszeit zu nehmen, können sie die schriftliche Vereinbarung bei der Pflegekasse einreichen. Unter Umständen wird diese dann anerkannt, obwohl die Bedingungen für eine Freistellung eigentlich nicht gegeben sind.
Die Mitteilung muss schriftlich beim Arbeitgeber eingehen und die gesetzlich vorgesehenen Fristen einhalten. Bei der Pflegezeit beträgt diese 10 Tage, bei der Familienpflegezeit 8 Wochen. Sie müssen ihren Wunsch nach Freistellung erläutern, die Art der Freistellung beschreiben, den geplanten Beginn und die Dauer angeben und einen Nachweis über einen Pflegegrad beifügen. Diesen erhalten Sie von der Pflegekasse oder vom Medizinischen Dienst beziehungsweise MEDICPROOF.
Während der Pflegezeit und der Familienpflegezeit beseht ein vollständiger Kündigungsschutz. Weiterhin haben Sie nach Ende der Freistellung Anspruch auf Ihren Arbeitsplatz zu den zuvor gültigen Bedingungen.
Das Gehalt während der Pflegezeit
Während der vollständigen Freistellung in der Pflegezeit besteht kein Anspruch auf eine Lohnfortzahlung. Bei einer teilweisen Freistellung wird das Gehalt entsprechend der Kürzung der Wochenstunden reduziert. Ausnahmen gelten nur, wenn diese (tarif-)vertraglich geregelt sind: im Arbeitsvertrag stehende Sonderregelungen können eine teilweise oder vollständige Lohnfortzahlung während einer pflegebedingten Freistellung vorsehen.
Um den Lebensunterhalt während der Freistellung zu finanzieren, gibt es die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens. Dieses wird beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt. Das Darlehen wird in monatlichen Beträgen ausgezahlt. Der Auszahlungsbetrag richtet sich nach Ihren Wünschen und Ihrem Verdienst. Er muss mindestens 50 € monatlich ausmachen und kann bis zu einer Höhe von der Hälfte des durch die Freistellung wegfallenden Nettogehalts beantragt werden. Dabei orientiert sich das BAFzA am Gesamtbruttoeinkommen der letzten 12 Monate vor der Beantragung.
Mithilfe des Pflegezeit-Rechners auf der Website des Bundesministeriums können Sie sich einen Überblick über ein mögliches Darlehen und über die möglichen Rückzahlungsraten verschaffen.
Wie ist man während der Freistellung versichert?
Wenn Sie die Pflegezeit oder die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, sind Sie weiterhin sozial abgesichert. Die Pflegekasse zahlt für die Dauer der Freistellung Zuschüsse und Beiträge zu der Sozialversicherung.
Zur Arbeitslosenversicherung zahlt die Pflegekasse Beiträge, wenn diese Bedingungen gegeben sind:
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Die Pflegeperson war unmittelbar vor Beginn der Pflege arbeitslosenversichert oder hat Leistungen nach dem SGB III (beispielsweise Arbeitslosengeld) erhalten.
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Der pflegebedürftige Angehörige hat mindestens Pflegegrad 2.
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Die Pflege erfolgt zuhause an mindestens 10 Stunden in der Woche, aufgeteilt auf mindestens 2 Tage.
Unfallversichert sind Pflegepersonen, wenn diese Bedingungen erfüllt sind:
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Die Pflege ist nicht erwerbsmäßig.
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Der Pflegebedürftige hat mindestens Pflegegrad 2.
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Die Pflege erfolgt zuhause an mindestens 10 Stunden in der Woche, aufgeteilt auf mindestens 2 Tage.
Beiträge zur Rentenversicherung zahlt die Pflegekasse ebenfalls unter folgender Voraussetzung:
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Die Pflege erfolgt zuhause an mindestens 10 Stunden in der Woche, aufgeteilt auf mindestens 2 Tage.
Die Höhe der Beiträge richtet sich dabei an der für die Pflege aufgewendeten Zeit.
Die Kranken- und Pflegeversicherung bleibt während der Freistellung bestehen, wenn die Pflegeperson familienversichert ist. Ist das nicht der Fall, muss die Pflegeperson sich für diese Zeit freiwillig versichern. Auf Antrag erstattet die Pflegekasse im Anschluss die gezahlten Beiträge bis zum Mindestbetrag. Dieser beträgt 14,6 % von der Mindestbemessungsgrundlage (1.178 € im Jahr 2024), also 172 €. Dazu kommen noch die Zusatzbeiträge, die jede Krankenkasse individuell festlegt, und der Beitrag zur Pflegeversicherung.
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Pflegezeit für Beamte
Das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz gelten nicht für Beamte. Hier greifen besondere Regelungen, die im Bundesbeamtengesetz (BBG) festgelegt sind. Beamte können kein zinsloses Darlehen beim BAFzA beantragen. Sie erhalten stattdessen einen Vorschuss ihrer Dienstbezüge, der nach Ende der Freistellung zurückgezahlt wird.
Vorzeitiges Ende der Pflegezeit
Verschiedene Ereignisse sorgen dafür, dass die Pflegeumstände enden. Das passiert etwa, wenn der Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist, wenn die Pflege in einem Pflegeheim fortgesetzt werden muss oder der Angehörige verstorben ist. In sämtlichen Fällen sind Sie verpflichtet, Ihren Arbeitgeber unverzüglich über die neue Situation zu informieren. Ihre genommene Pflegezeit oder Familienpflegezeit endet 4 Wochen nach Eintritt dieser neuen Umstände. Eine vorzeitige Arbeitsaufnahme mit den üblichen Wochenstunden ist nur nach Zustimmung des Arbeitgebers möglich.
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https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/pflegezeit (30.04.2024)
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https://www.bundesgesundheitsministerium.de/leistungen-der-pflege/vereinbarkeit-von-pflege-und-beruf (30.04.2024)
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https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/aeltere-menschen/hilfe-und-pflege/die-familienpflegezeit-75714 (30.04.2024)
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https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Teilzeit-flexible-Arbeitszeit/pflege-und-beruf-vereinbaren.html (30.04.2024)
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https://www.bafza.de/programme-und-foerderungen/familienpflegezeit/familienpflegezeit-rechner (02.05.2024)