Die Sterbebegleitung: Freistellung für Arbeitnehmer
Bei einer unheilbaren Erkrankung mit reduzierter Lebenserwartung die letzten Wochen gemeinsam zu verbringen, ist für viele Patienten und Angehörige ein großer Wunsch. Das Pflegezeitgesetz ermöglicht es Arbeitnehmern, sich zu diesem Zweck für bis zu 3 Monate freistellen zu lassen. Erfahren Sie hier, wie die Freistellung funktioniert, was Sie bei der Sterbebegleitung erwartet und was Letzte-Hilfe-Kurse sind.
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Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet „Sterbebegleitung“?
Wie die Pflege ist auch die Sterbebegleitung ein komplexer Prozess, der bei jedem Menschen anders abläuft. Grundsätzlich meint der Begriff Unterstützung der Patienten für ein „würdevolles Sterben“. Dies umfasst sowohl Begleitung und Anwesenheit von Angehörigen, die Zeit mit dem Patienten verbringen, und je nach Bedürfnissen pflegerische und palliative Leistungen.
Die Palliativmedizin (von lateinisch cura palliativa – die schützende Pflege; abgeleitet von palliare – schützen, verbergen, mit einem Mantel umhüllen) bezeichnet Maßnahmen, die die Folgen einer Erkrankung lindern und das Leben so angenehm wie möglich machen sollen, wenn keine Heilungsmöglichkeit mehr besteht. Im Vordergrund stehen dabei aus medizinischer Sicht vor allem Schmerz- und Symptomlinderung, die dem Patienten ein gewisses Maß an Wohlbefinden ermöglichen.
Wie funktioniert die Freistellung zur Sterbebegleitung?
Sind Sie Angestellter oder Auszubildender, besteht die Möglichkeit, sich für den Zweck der Sterbebegleitung von der Arbeit freistellen zu lassen. Die maximale Dauer beträgt 3 Monate und muss mindestens 10 Arbeitstage vor Beginn schriftlich beim Arbeitgeber angekündigt werden. Dieser ist verpflichtet, die Freistellung zu genehmigen, wenn der Betrieb insgesamt mehr als 15 Beschäftigte inklusive Mini- und Midi-Jobber hat. Bei weniger Beschäftigten kann ein Arbeitgeber auf freiwilliger Basis zustimmen.
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Freistellung gilt nur für nahe Angehörige
Eine Voraussetzung für die Freistellung zur Sterbebegleitung ist, dass der pflegende Angehörige ein „naher Angehöriger“ ist. Das bedeutet, dass er entweder Elternteil, Kind, Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner des Sterbenden sein muss – im Falle eines erkrankten Kindes zählen auch Großeltern dazu. Die Definition „naher Angehöriger“ unterscheidet sich bei der Sterbebegleitung und der Pflegezeit von dem deutlich weiter gefassten Kreis „naher Angehöriger“, die etwa als Pflegeperson gelistet sein dürfen.
Wichtig für die Beantragung der Freistellung ist eine ärztliche Verordnung für den Patienten, die über den Fortschritt der Krankheit informiert und die Erforderlichkeit der palliativmedizinischen Behandlung angesichts einer Lebenserwartung von wenigen Wochen oder Monaten festlegt. Die Inanspruchnahme der Sterbebegleitung ist unabhängig von einem bestehenden Pflegegrad. Außerdem müssen Sie Ihren Arbeitgeber darüber informieren, ob sie vollständig oder teilweise freigestellt werden wollen. Bei der teilweisen Freistellung sollten Sie angeben, auf wie viele Wochenstunden die Arbeitszeit reduziert wird.
Folgende Tabelle bietet eine Übersicht über alle Freistellungsmöglichkeiten, die im Rahmen des Pflegezeitgesetzes geregelt sind.
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Pflegeunterstützungsgeld |
Pflegezeit |
Familienpflegezeit |
Sterbebegleitung |
Maximale Dauer |
10 Tage |
6 Monate |
24 Monate |
3 Monate |
Art der Freistellung |
Vollständig im Akutfall |
Wahl: Vollständig oder teilweise |
Teilweise |
Wahl: Vollständig oder teilweise |
Anspruch gilt für… |
Alle |
Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten |
Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten |
Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten |
Voraussetzung |
Ärztliche Bescheinigung |
Pflegegrad |
Pflegegrad |
Ärztliche Bescheinigung |
Anmeldefrist beim Arbeitgeber |
Keine |
10 Arbeitstage |
8 Wochen |
10 Arbeitstage |
Finanzierungsmöglichkeit |
Lohnersatzzahlung von der Pflegekasse |
Zinsloses Darlehen vom BAFzA* |
Zinsloses Darlehen vom BAFzA* | Zinsloses Darlehen vom BAFzA* |
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Verbinden von Pflegezeit und Sterbebegleitung
Wird die Sterbebegleitung direkt anknüpfend an eine bestehende Freistellung im Rahmen der Pflegezeit oder Familienpflegezeit genommen, darf die gesamte Dauer der Freistellung 24 Monate nicht überschreiten.
Das Gehalt während der Sterbebegleitung
Während der vollständigen Freistellung in der Sterbebegleitung besteht kein Anspruch auf eine Lohnfortzahlung. Bei einer teilweisen Freistellung wird das Gehalt entsprechend der Kürzung der Wochenstunden reduziert. Ausnahmen gelten nur, wenn diese (tarif-)vertraglich geregelt sind: im Arbeitsvertrag stehende Sonderregelungen können eine teilweise oder vollständige Lohnfortzahlung während einer Freistellung zu Zwecken der Sterbebegleitung vorsehen.
Um den Lebensunterhalt während der Freistellung zu finanzieren, gibt es die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens. Dieses wird beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt. Das Darlehen wird in monatlichen Beträgen ausgezahlt. Der Auszahlungsbetrag richtet sich nach Ihren Wünschen und Ihrem Verdienst. Er muss mindestens 50 € monatlich ausmachen und kann bis zu einer Höhe von der Hälfte des durch die Freistellung wegfallenden Nettogehalts beantragt werden. Dabei orientiert sich das BAFzA am Gesamtbruttoeinkommen der letzten 12 Monate vor der Beantragung. Die Rückzahlung erfolgt ebenfalls in monatlichen Raten, deren Höhe und Dauer das BAFzA im Einzelfall festlegt.
Letzte-Hilfe-Kurse für pflegende Angehörige
Anders als Erste-Hilfe-Kurse sind Letzte-Hilfe-Kurse allgemein recht wenig bekannt und nirgends verpflichtend festgeschrieben, wie es Erste-Hilfe-Kurse etwa beim Führerschein sind. Letzte-Hilfe-Kurse richten sich an (pflegende) Angehörige von Sterbenden, es darf aber jeder an diesen Kursen teilnehmen. Meist werden in kleinen Gruppen von bis zu 20 Teilnehmern Informationen beispielsweise zum Erhalt von Lebensqualität, der Linderung von Leid und Schmerz sowie mögliche Hilfen bei der Angstüberwindung vermittelt. Informationen zu lebensverlängernden Maßnahmen sind kein Thema der Kurse.
Begleitung von Sterbenden, besonders psychischer Beistand, ist elementarer Bestandteil eines sogenannten „würdevollen Sterbens“. Mehr als zwei Drittel der Betroffenen geben an, zu Hause sterben zu wollen. In der Praxis lässt sich der Wunsch vergleichsweise selten umsetzen. Um mit dieser Tatsache und dem Sterben selbst besser umgehen zu können, ist oft Beistand von Familienangehörigen oder Freunden nötig. Letzte-Hilfe-Kurse bereiten Angehörige auf diese Situation vor. Organisiert werden die Kurse etwa von Volkshochschulen, Hospizdiensten oder Kreisverbänden des Deutschen Roten Kreuzes. Oft ist die Teilnahme kostenlos oder basiert auf einer Spende.
Hier finden Sie weitere Hilfe als pflegender Angehöriger:
Welche Leistungen können Patienten erwarten?
Patienten, die sich im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung befinden, müssen eine ärztliche Verordnung zur palliativen Versorgung einholen, um entsprechende Leistungen von der Krankenkasse zu erhalten. Unterschieden wird zwischen der allgemeinen Palliativversorgung (AAPV) und der spezialisierten Palliativversorgung (SAPV).
Beide Systeme umfassen palliativpflegerische Maßnahmen etwa durch Pflegedienste und palliativmedizinische – vor allem schmerz- und symptomlindernde – Maßnahmen durch Ärzte. Die SAPV richtet sich an Patienten mit besonders hohem Versorgungsaufwand. Gründe dafür sind etwa besonders starke Schmerzen, ausgeprägte psychische Erkrankungen oder große infizierte oder durchblutungsgestörte – sogenannte ulzerierende – Wunden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das „offene Bein“.
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Beratung durch die Krankenkassen
Die „Versorgung Sterbender“ ist in der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt. Krankenkassen sind demnach verpflichtet, sterbenden Versicherten bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung beratend zur Seite zu stehen.
Krankenkassen übernehmen 100 Prozent der Kosten, wenn die Palliativpflege in einem Krankenhaus erfolgt. Die Maßnahmen werden ebenfalls bei einem Aufenthalt in einem Pflege- oder Altenheim übernommen, in diesen Fällen müssen die Patienten Unterbringung und Verpflegung jedoch selbst zahlen. Auch in Hospizen entstehen keine Kosten für die Patienten. Krankenkassen übernehmen hier den Anteil von 95 Prozent, die restlichen Kosten übernehmen die Hospize.
Erfolgt die palliative Versorgung ambulant, also etwa in der Wohnung des Patienten, werden ebenfalls alle palliativmedizinischen Leistungen von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Bei Privatversicherten werden die Kosten ebenfalls erstattet, wenn dies in ihren jeweiligen Versicherungstarifen festgelegt ist.
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Dauer der Kostenübernahme
Krankenkassen genehmigen in der Regel 30 Tage palliative Versorgung. Bei Bedarf muss eine Folgeversorgung ausgestellt werden. Es empfiehlt sich, die Palliativverordnung, besonders die SAPV-Verordnung, von einem niedergelassenen Vertragsarzt ausstellen zu lassen. Diese kann auf unbegrenzte Dauer festgelegt werden, während ein Krankenhausarzt nur maximal 7 Tage SAPV-Versorgung verordnen kann.
Welche Dokumente sollten Patienten verfassen?
Soll vor und nach dem Tod der Patienten in deren Sinne gehandelt und letzte Wünsche berücksichtigt werden, müssen zu Lebzeiten bestimmte Dokumente erstellt werden. Diese sind:
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die Betreuungsverfügung: In diesem Dokument wird festgelegt, wer oder wer nicht als rechtlicher Betreuer eingesetzt werden soll, wenn Patienten nicht mehr in der Lage sind, beispielsweise finanzielle oder pflege-organisatorische Angelegenheiten selbst zu regeln. Gerichte sind an die Festlegungen in einer Betreuungsverfügung gebunden.
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die Vorsorgevollmacht: Hier können Patienten Wünsche zu vielen verschiedenen Aufgabengebieten festlegen, die sich teilweise mit einer Betreuungsverfügung überschneiden. Finanzielle Angelegenheiten, Organisation der Pflege, Behördenvertretung oder Bestattungswünsche gehören dazu. Die Vorsorgevollmacht wird nicht gerichtlich kontrolliert, zur Gültigkeit ist jedoch eine maximal 2 Jahre zurückliegende bestätigende Unterschrift des Patienten, die die Aktualität der Vollmacht bescheinigt, sowie die eines Zeugen notwendig.
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die Patientenverfügung: Dieses Dokument tritt in Kraft, sobald es krankheitsbedingt erforderlich ist. Sie regelt medizinische Fragen, wenn der Patient diese nicht mehr selbst bestimmen kann. Häufig ist hier der Wunsch nach oder die Ablehnung von lebenserhaltenden Maßnahmen oder künstlicher Ernährung festgehalten. Auch die Patientenverfügung muss spätestens alle 2 Jahre durch erneute Unterschrift bestätigt werden.
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das Testament, eine sogenannte Verfügung von Todes wegen, die das Erbe einer verstorbenen Person regelt. Ein Testament ist nicht verpflichtend, da durch die gesetzliche Erbfolge mit Pflichtanteilen gesichert ist, dass Angehörige der Person ein Erbe erhalten. Bestehen jedoch bestimmte Wünsche zum Erbe, sollten diese in einem Testament verfasst werden.
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BMG: Ratgeber Pflege. Alles, was Sie zum Thema Pflege wissen sollten, Broschüre, Stand Juli 2023, Seiten 140-144.
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https://www.malteser.de/aware/hilfreich/letzte-hilfe-kurs-sterbende-wuerdevoll-begleiten.html (30.05.2024)
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https://www.vdk.de/aktuelles/tipp/freistellung-fuer-die-begleitung-sterbender/ (30.05.2024)